Hans-Thomas Bosch

Seit gut 25 Jahren beschäftige ich mich mit Obstbäumen und mit dem, was auf ihnen wächst. Ich bin auf diesem Gebiet also ein Spätberufener und zudem noch ein Quereinsteiger. Studiert habe ich Landwirtschaft an der Fachhochschule in Nürtingen bei Stuttgart. An Obst hatte ich damals noch keinen Gedanken verschwendet. Ich war etwa 30 als ich so einigermaßen imstande war, einen Apfel- von einem Birnbaum zu unterscheiden. Aber dann ging es Schlag auf Schlag. Das Schneiden der Bäume faszinierte mich ebenso wie das Kennenlernen der unterschiedlichen Sorten, mit denen man als Obstbaumpfleger ja unweigerlich beschäftigt ist. Das Ganze vollzog sich inmitten der von alten, mächtigen Mostbirnbäumen bestückten Bodenseelandschaft. 1994 trat ich dem Pomologenverein bei und ein Jahr später absolvierte ich meinen ersten Kurs in der Seilklettertechnik. Damit war das Feld bestellt. Für die spezielle Pomologie ebenso wie für die Obstbaumpflege, die ich nun hauptberuflich ausübte.

Ein entscheidender Impuls kam dabei noch dazu. Das bloße Tun und Machen war mir immer irgendwie zu wenig. Wenn ich mir etwas aneignete, hatte ich immer auch gleich im Kopf, wie das wohl so aufzubereiten wäre, dass es auch andere verstehen können – und mehr noch: dass es andere schneller und leichter verstehen können. Denn just auf beiden Gebieten, der Pomologie wie der Obstbaumpflege, sah ich darin Nachholbedarf. Beide Disziplinen lagen methodisch irgendwie brach. In beiden kommt man mit Methode und strukturiertem Arbeiten sehr weit – das nötige Quentchen Herzblut vorausgesetzt (das man aber wohl zu allem braucht, um einigermaßen fit zu werden auf einem Gebiet).

Bei der Obstbaumpflege kam noch etwas hinzu: der offensichtliche Mangel an baumpflegerischen Grundkenntnissen in der gängigen Fachliteratur, was den baumerhaltenden Umgang mit Obstbäumen betrifft. Stabilität und schonender Schnitt, beides Grundlagen eines langen Baumlebens, schienen mir entscheidend vernachlässigt.

Also gut: es mangelte an Methode und an den Grundlagen baumschonenden Arbeitens. Eine Fülle an Anregungen, diese Mängel zu beheben, bekam ich aus der modernen Baumpflege ebenso wie aus der traditionellen, aber viel zu wenig beachteten Schnittlehre des Oeschbergschnitts. Dann kam die Gunst der Stunde: in einem Projekt konnte ich Methode und Inhalte der modernen Baumpflege und der naturgemäßen Obstbaumpflege zusammenführen, was letztlich zur Herausgabe des Buches „Naturgemäße Kronenpflege am Obsthochstamm“ führte.

„Wer lernen will muss lehren“ – mit Goethe lässt sich immer treffend zitieren. Ich bin auf jeden Fall sehr motiviert, in der Ausbildung zum Obstbaumpfleger mit den Teilnehmern den Umgang mit dem Obstbaum zu vertiefen.